Also von meinen Erfahrungen her - die jetzt schon etwas zurückliegen, da ich seit über einem Jahr glücklich vergeben bin - muss ich euch größtenteils Recht geben. Wenn ich das bildlich beschreiben würde, dann ist die Suche nach Jungs für was Ernstem auf solchen Datingplattformen oftmals die nach der Nadel im Heuhaufen und eine sehr langwierige Geschichte. Bevor ich auf meinen jetzigen Freund gestoßen bin, hatte ich mit einigen Jungs näher geschrieben, woraus aus ganz unterschiedlichen Gründen nichts wurde.
Pauschal gesagt, antworteten erstmal rund 90% der Jungs, die ich angeschrieben hatte, gar nicht, obwohl ich mir, soweit das aufgrund der Angaben im Profil möglich war, Mühe gegeben hatte, mir einen sinnvollen Satz zu Beginn einfallen zu lassen und nicht bloß einfach “Hi” zu schreiben. Bei den verbleibenden 10% stellte sich dann bei 5% recht schnell raus, dass sie nicht so richtig am reinen Kennenlernen interessiert waren - sei es, weil sie gemessen am Textumfang ewig zum Antworten brauchten, keine Fragen stellten oder ihre Antworten von Anfang an sehr kurz ausfielen. Und nur mit den restlichen 5% kam es dann überhaupt dazu, dass ich mich richtig unterhalten und sie online kennenlernen konnte.
Einige Jungs hat es dann tatsächlich - obwohl ich es ausdrücklich ins Profil geschrieben hatte - nach ein paar Tagen oder gar Wochen interessanter Unterhaltung überrascht, dass ich hauptsächlich auf der Suche nach was Festem und eher weniger nach reiner Freundschaft war, und sie sich das aber nun mal gar nicht vorstellen konnten. Ziemlich ärgerlich und im Nachhinein betrachtet eine Zeitverschwendung, mit diesen gechattet zu haben - sowas hätten sie gleich am Anfang klarstellen können, zumal ich bei ehrlichem Umgang durchaus auch an ner bloßen Freundschaft Interesse gehabt hätte. Dass die meisten Jungs, die jetzt nicht grade auf Sex aus sind, einen in einem reinen Datingforum in der Regel nicht aus Langeweile aus heiterem Himmel anschreiben und vor allem sich ernsthaft unterhalten, sollte ja eigentlich klar sein…
Andere Jungs stellten nach ebenso langer Zeit und guter Unterhaltung fest, dass man zu weit auseinander wohnen würde, um sich mal persönlich zu treffen - auch sowas ein typischer Fall für “das hätte man ja gleich wissen können” - oder nannten immer wieder andere Gründe, warum ein Treffen nicht klappen könnte, bis es irgendwann klar war, dass aus dem netten Gespräch leider nicht mehr werden könnte. Eine andere Variante war, dass sich einige durchgehend weigerten, aus dem Datingportal zu einem üblichen Messenger wie WhatsApp oder Telegram zu wechseln, was dafür sprach, dass ihnen das Weitersuchen auf dem Datingportal und das Nichtentgehen möglicher anderer Nachrichten von anderen Kontakten doch wichtiger war als der nähere Kontakt mit einem selbst.
Ein gelungenes Treffen ist ja nun mal im Regelfall Voraussetzung dafür, dass sich mehr aus einem Kontakt entwickeln kann, denn nur beim Treffen lernt man die Mimik und Gestik genau kennen, die Umgangsformen des anderen etc… Für diejenigen, die sich jetzt in Coronazeiten neu daten (da bin ich so froh, dass ich das als glücklich Vergebener nicht mehr tun muss), ist es heute natürlich noch schwieriger als für mich damals, bei der Ablehnung eines Treffens echte Vorsicht wegen Corona von Desinteresse zu unterscheiden.
Selbst bin ich eher selten von anderen Jungs aus angeschrieben worden - ich hab mein Profil aber bewusst ehrlich gehalten und nicht auf möglichst viele Klicks angelegt, weil ich noch nie oberflächlich war und auch keine Enttäuschung beim ersten Treffen deswegen erleben wollte, weil ein Typ nicht mich selbst, sondern eine gefotoshoppte und gestylte, unechte Version von mir kennengelernt hatte. Auch Enttäuschungen, auf die jeder verzichten kann, der einen Typ für was Festes sucht.
Letzteres ist übrigens meiner Erfahrung aus den Jahren bis 2019 nach auf solchen Datingportalen, wo nicht nur feste Partnerschaften, sondern auch reine Sexdates oder Freundschaften zu finden sind, und vor allem wegen der Sexdates sehr viele oberflächliche User zu finden sind, auch ne schwierige Gratwanderung, grade weil sich die (meisten) Jungs das Profil nicht durchlesen - einerseits kommt es schlecht, wie es skellige so prägnant beschreibt, nach der dritten Nachricht “ich liebe dich” zu schreiben oder gleich am ersten Tag zu fragen, ob denn wenigstens ansatzweise was Festes vorstellbar wäre, andererseits kommt es auch schlecht und zieht viel Zeit von anderen interessanten Kontakten ab, so lange freundschaftlich und befreit von jedem sexuellen Kontext zu plaudern, bis sich ein Treffen erledigt, weil man sich für den Moment nichts mehr zu erzählen hat und der Kontakt einschläft. Eine echte Strategie ist hier schwierig, wie skellige schreibt - aber wenn man “mehr” nicht ausgeschlossen hat, es schon bis zu einem Treffen geschafft hat und das gut gelaufen ist und man sich wiedersehen möchte, dann sind die Vorzeichen zumindest schon mal gut, dass sich etwas daraus entwickeln könnte. Anstelle solcher Plattformen für alles hatte ich mir, als ich auf der Suche nach etwas Festem war, oft kostenfreie Plattformen gewünscht, auf denen man sich ohne diese Oberflächlichkeit austauschen und wirklich kennenlernen kann. Also so eine Art Mix aus boypoint und dbna, denn boypoint ist zwar ein Forum zum Austauschen, aber eben gerade kein Datingforum. Abraten würde ich jedenfalls von kostenpflichtigen Partnerbörsen, da dort auch einige Leute unterwegs sind, die Profile vorgaukeln, hinter denen in Wahrheit keine Menschen auf der Suche stehen, sondern Angestellte der Plattformen, die dafür bezahlt werden, möglichst viele Neuuser anzuschreiben und sie möglichst lange auf den Plattformen zu halten. Klar gibt es auf kostenfreien Seiten auch Fakeuser, aber da ist dann wenigstens kein Geld weg.
Selbst habe ich ebenfalls alle meine Dates online gefunden und folglich neben meinem jetzigen Freund auch meine Ex-Freunde, allerdings ebenso nur teilweise über Datingplattformen und teilweise “nebenbei” über längeren Austausch in Foren. Ich habe auf beiden Arten von Internetseiten aber auch (freundschaftliche) Freunde kennengelernt, bei denen nie der Gedanke an etwas über Freundschaft hinaus aufkam. Dennoch schließt das - da bin ich anderer Meinung als CookieBoy - ja nicht die Möglichkeit aus, dass sich auch aus einer Online-Freundschaft nach einigen Jahren eine Partnerschaft entwickeln kann, so wie es mir bei einem meiner Ex-Freunde passiert ist. Bei Bekanntschaften aus dem realen Leben ist das nach meiner Erfahrung und der vieler anderer hingegen sehr schwierig, da vor einem Gedanken über eine mögliche Beziehung zuerst die Frage im Raum steht, ob derjenige überhaupt schwul/bi ist, und oft vergebliche Hoffnungen entstehen, weil das doch nicht der Fall ist.