Wenn ich schon mal ein paar Tage frei habe, kann ich euch ja mal weniger lange warten lassen. Dies ist der vorerst letzte Teil aus Leos Sicht, wobei es echt Spaß gemacht hat aus seiner Sicht zu schreiben.
Ich hoffe dich nicht zu enttäuschen Skystar

Vielleicht lernen wir im nächsten Teil ein bisschen was über Hugo, aber darauf müsst ihr euch noch ein bisschen gedulden.
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Leo erwischte sich dabei, wie er versuchte mit Hugo mitzuhalten und versuchte die gleichen Routen zu klettern wie er. Aber seine Kletterkünste waren auf einem ganz anderen Niveau. Irgendwie konnte er Branko verstehen, dass er sich gestäubt hatte mit Hugo zusammen bouldern zu gehen. Aber wahrscheinlich hätte Hugo mehr Rücksicht auf Branko genommen als auf ihn. Es wirkte beinahe so, als würde er ein wenig genießen, dass er besser war als Leo. Aber vermutlich redete er sich das auch nur ein, weil er ein wenig eifersüchtig war.
Auf Hugos T-Shirt zeichnete sich aber irgendwann auch der Schweiß ab. Es war ziemlich warm in der Boulderhalle und Leo betrachtete Hugo dabei, wie er einen großen Schluck aus seiner Trinkflasche nahm. Er strich sich über die Haare, so als habe er sich noch nicht ganz daran gewöhnt, dass die Locken nicht mehr da waren. Leo hatte ihn beinahe nicht erkannt und so ganz konnte er sich auch nicht daran gewöhnen.
Sie hatten wenig miteinander gesprochen, aber nun saßen sie auf dem Boden, um sich ein bisschen auszuruhen.
„Trennungshaarschnitt?“ fragte Leo unvermittelt, weil er wissen wollte wieso Hugo sich von seinen Haaren getrennt hatte. Er hatte Branko häufiger dabei beobachtet, wie er ihm dadurch gefahren war oder daran rumgespielt hatte.
„Hm. Die mussten einfach mal ab. Fühlt sich aber immer noch komisch an.“
Leo grinste leicht. „Ja. Ich kenn das.“ Dabei fuhr er sich selbst durch die kurzen Haare.
„Willst du noch weiter machen? Ich bin irgendwie ziemlich platt,“ meinte er dann und sah Hugo fragend an.
„Ich würde gerne noch den einen Boulder probieren. Letztes Mal habe ich es beinahe geschafft, aber heute bin ich gut drauf und könnte es vielleicht hinbekommen.“
Er stemmte sich vom Boden hoch und Leo sah ihm dabei zu. „Du bist in letzter Zeit öfter hier oder?“ fragte er interessiert, als Hugo seinen Fuß auf den ersten Tritt setzte.
„Ach,“ machte er und klang ziemlich konzentriert. „Ein paar Mal die Woche. Sport bringt mich immer auf andere Gedanken und ich fange nächste Woche mit meinem Referendariat an, da habe ich wahrscheinlich nicht mehr so viel Zeit dafür.“
Leo hob die Augenbrauen. Dass Hugo schon so weit war hatte er gar nicht gewusst.
„Und bist du schon aufgeregt?“
„Ach es geht,“ antwortete er bloß kurz. Es sah wirklich unmöglich aus, was Hugo vorhatte und er scheiterte die ersten beiden Male, die er es versuchte knapp. Aber irgendwie schien ihn das nur noch mehr anzuspornen.
Leo spürte schon jetzt jeden Muskel in seinem Körper und er nahm sich vor häufiger her zu kommen. Vielleicht würde er Branko ja auch überreden können Sport mit ihm zu machen. Vielleicht nicht Bouldern, denn dafür war Branko wirklich nicht der Typ.
Beim dritten Versuch war Hugo erfolgreich und das riss Leo ein bisschen aus den Gedanken.
„Den Schwierigkeitsgrad habe ich noch nie geschafft,“ grinste er stolz und einen kurzen Moment war die Traurigkeit aus seinem Gesicht gewichen.
„Glückwunsch,“ sagte Leo und stand nun auch auf.
Sie gingen gemeinsam in die Umkleide und ohne viel Federlesen begann Hugo sich auszuziehen. Eigentlich hatte Leo vorgehabt hier zu duschen, aber nun war er sich nicht sicher, ob er sich vor Brankos Ex-Freund ausziehen wollte.
„Keine Sorge, ich werde dir nichts weggucken,“ meinte Hugo mit einem Blick über die Schulter, da er Leos Zögern offensichtlich bemerkt hatte.
„Mir macht das nichts,“ murmelte Leo. „Ich dusch auf der Arbeit auch immer. Ich bin ja nicht Branko.“
Hugo blickte ihn an und verzog kurz das Gesicht. Er hatte nur noch seine Unterhose an und irgendwie konnte Leo plötzlich verstehen, was Branko an ihm fand. Jedenfalls was den Körper betraf.
„Ich meinte jetzt auch eher, weil ich schwul bin. Keiner hat so krasse Hemmungen wie Branko. Der würde hier nicht mal sein T-Shirt wechseln.“
Leo schmunzelte. Da hatte Hugo mit großer Wahrscheinlichkeit recht. Trotzdem noch etwas zögerlich zog er sein Shirt aus und meinte kurz Hugos Blick auf sich ruhen zu spüren, als er auch noch aus der Sporthose schlüpfte. Er wandte sich aber kurz darauf ab und zog die Unterhose aus. Er hatte Leo den Rücken zugewandt und dessen Blick blieb für ein paar Sekunden an seinem Hintern hängen, als er sich dabei bückte. Von sich selbst überrascht sah er schnell woanders hin. Er hatte noch nie bewusst jemanden in der Umkleide angesehen und es kam ihm sehr falsch vor. Vor allem, weil es Hugo war. Leo hatte sich nie etwas aus Männerkörpern gemacht, aber er musste sich eingestehen, dass der Anblick ihm ziemlich gefiel. Er konnte die Sache allerdings nicht noch komplizierter machen, indem er anfing Hugo gut zu finden. Er gehörte zu Branko und andersrum. Aber Leo konnte sich auch nicht so richtig vorstellen, wie Hugo, der sich so hemmungslos vor anderen Leuten auszog, mit Brankos übersteigertem Schamgefühl umging. Das war für beide wahrscheinlich nicht so einfach gewesen.
Hugo war in die Dusche verschwunden und Leo zog sich nun auch komplett aus. Außerdem war er überhaupt nicht schwul. Die Sache mit seinen komischen Gefühlen Branko gegenüber war eine andere Geschichte. Aber wenn er jetzt auch noch anfing andere Männer attraktiv zu finden…
„Ich brauch gar kein Shampoo mehr,“ scherzte Hugo, der sich grade schon mit Duschgel einrieb. Leo vermied es jetzt ihn überhaupt anzusehen und nahm einen Duschkopf schräg gegenüber von ihm. Es fiel ihm aber schwer und er sagte sich, dass nasse sportliche Körper doch immer irgendwie gut aussahen. Ob es jetzt ein männlicher war oder nicht.
„Spart Geld,“ bemerkte er. „Wundert mich, dass Branko noch nicht auf die Idee gekommen ist.“
Leo spürte, dass auch Hugo ihn kurz musterte. Als er merkte, dass Leo das aufgefallen war, wandte er beschämt den Blick ab.
„Können wir bitte nicht mehr über Branko reden?“ fragte er dann unsicher, drehte das Wasser ab und schnappte sich sein Handtuch, um sich abzutrocknen.
„Naja, worüber willst du sonst reden? Ich habe mich häufig gefragt wie das mit euch beiden überhaupt irgendwie angefangen hat. So unterschiedlich wie ihr seid,“ implizierte Leo die Frage.
„Ich wollte es einfach sehr,“ meinte Hugo schulterzuckend. „Ich habe ihm eigentlich keine große Wahl gelassen.“
Leo konnte nicht umhin sich die beiden unterschiedlichen Jungen miteinander vorzustellen. Branko, der eher groß und kräftig war und daneben der kleinere und quirlige Hugo, der mit den kurzen Haaren jetzt nicht mehr ganz so niedlich aussah, sondern erwachsener. Leo beeilte sich nun fertig zu duschen und war ganz froh, als er sich das Handtuch um die Hüfte schlingen konnte. Allerdings nicht weil er besorgt war, dass Hugo ihn bespannte, schließlich hatte auch er sich einen kurzen Blick dann doch nicht verkneifen können.
„Und ich habe den Vorwurf vorhin schon verstanden. Ich hätte nicht nochmal mit ihm ins Bett gehen dürfen. Aber ich dachte auch es würde vielleicht eine Entschuldigung von ihm kommen oder irgendwas. Aber es kam nichts und dann hat er etwas gesagt, was mich auf die Palme gebracht hat. Weißt du, ich muss immer auf ihn Rücksicht nehmen, aber wie es mir dabei geht ist ihm total egal,“ meinte Hugo als sie zurück in die Umkleiden gingen.
Leo kratzte sich nachdenklich im Nacken. Bisher war er eigentlich nur sauer auf Hugo gewesen, weil er so mit Branko umgesprungen war, aber nun machte das ganze ein bisschen mehr Sinn.
„Was hat er denn gesagt?“
Hugo seufzte, während er sich langsam eine frische Unterhose anzog. „Ganz genau weiß ich es nicht mehr. Irgendwie in die Richtung, dass er es schön findet, dass ich bei ihm bin. Er hat sich nicht einmal entschuldigt, wie er vorher mit mir umgesprungen ist und dann kommt so etwas. Mal will er mich da haben, mal nicht. Ich habe manchmal keine Ahnung wie ich mich ihm gegenüber verhalten muss, damit wir uns nicht andauernd streiten.“
„Mhm,“ machte Leo. „Branko ist eben nicht einfach.“
„Ich wusste von Anfang an, dass es nicht einfach werden würde, aber ich dachte halt er würde sich mit der Zeit wenigstens etwas Mühe geben auf mich zuzugehen.“
Leo rieb sich die letzte Tropfen Wasser von der Brust und dachte nach. Ja, manchmal machte es bei Branko den Eindruck, als wären ihm alle anderen egal.
„Er denkt halt häufig, dass andere besser ohne ihn dran wären. Und er will sich damit irgendwie bestrafen. Ihm ist glaube ich nicht bewusst, dass er nicht nur sich selbst damit weh tut.“
„Aber das ist bescheuert,“ meinte Hugo mit kratziger Stimme. Leo blickte zu ihm hinüber und sah, wie er sich einmal schnell über die Augen wischte. Es sah irgendwie merkwürdig aus, wie er dastand, bloß in Unterwäsche und versuchte die Tränen zurück zu halten. Leo fand es komisch, wenn Männer weinten und er wusste jetzt auch nicht, wie er Hugo trösten sollte. Er wollte ihm auf keinen Fall zu nahekommen.
„Niemand hat behauptet, dass das vernünftig ist. Aber ich weiß, dass er dich vermisst und gerne wieder mit dir zusammen wäre,“ sagte er dann ein wenig unsicher.
Hugo atmete tief durch und seufzte. „Ich will nicht mehr über Branko reden. Ich will ja nicht einmal mehr an ihn denken, aber das ist nicht so einfach.“ Er zog sich jetzt einen dünnen Pulli über und Leo hörte auf ihn anzusehen und beschäftigte sich damit sich selbst anzuziehen. Er war fast ein bisschen froh, dass Hugo jetzt nicht mehr nackt vor ihm stand. Er war ohnehin schon verwirrt genug, auch ohne, dass ein Mann Erregung in ihm hervorrief. So richtig war das auch nicht passiert, aber Leo hatte ihn gerne angesehen, womit er vorher überhaupt nicht gerechnet hatte.
„Branko ist ein Idiot. Er war glücklich und dann fällt ihm ein, dass er das ja eigentlich nicht verdient,“ murmelte Leo.
Hugo schniefte hörbar. „Ich weiß auch nicht wieso ich mir das überhaupt angetan habe. Er wollte von Anfang an nicht so richtig. Wie viel Energie ich darein investiert habe, dass er sich überhaupt mit mir trifft. Aber er hat mich einfach so umgehauen.“
Leo schüttelte ungläubig den Kopf, während er seine Sachen in die Sporttasche stopfte. „Irgendwie dachte ich die ganze Zeit, dass du es nicht ernst mit ihm meinst.“
Hugo warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. „Wieso hätte ich es nicht ernst meinen sollen?“ fragte er mit einem säuerlichen Unterton.
„Ich hätte einfach nicht gedacht, dass jemand wie Branko dein Typ ist, nachdem was ich über deinen Ex-Freund gehört habe.“ Er wusste, dass die Worte falsch rüberkamen, aber er konnte es jetzt nicht mehr zurücknehmen.
Hugo ließ sich auf die Bank fallen und begann sich die Schuhe anzuziehen.
„Du hast mich also für ein oberflächlichen Arsch gehalten. Nur weil du Branko vielleicht nicht so attraktiv findest, heißt das nicht, dass ich das nicht tue. Er hat mich einfach fasziniert und ich wollte ihn gerne kennenlernen.“
Leo räusperte sich und fuhr sich ein letztes Mal durch die noch feuchten Haare. „Woher willst du wissen, dass ich Branko nicht attraktiv finde?“ Und dieses Mal biss er sich noch fester auf die Zunge, aber Hugo lachte jetzt und schüttelte bloß den Kopf.
„Seid ihr jetzt wieder…naja Freunde?“ fragte er unsicher. Der Tonfall passte nicht zu ihm, fand Leo.
„Ich hoffe es,“ murmelte er nur und setzte sich seine Mütze auf.
„Freut mich. Aber mehr ist da nicht? Du willst nichts von ihm oder? Ich mein ihr seid ja jetzt beide wieder Single und irgendwie hatte ich das Gefühl…“
Leo versuchte ein belustigtes Schnaufen von sich zu geben, wusste aber nicht ob es echt klang. „Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich nicht auf Männer stehe. Und wenn du Angst davor hast, dass er etwas mit einem anderen anfangen könnte, dann hol ihn dir doch einfach zurück.“
Sie blickten sich kurz an, aber dann kamen zwei andere in die Umkleide und offensichtlich wollte Hugo das Gespräch nicht vor Fremden weiterführen.
Als Leo danach zu seinen Eltern nach Hause fuhr, war er über allen Maßen verwirrt. Er war Hugo zu seinem Fahrrad gefolgt, das er vor der Boulderhalle angeschlossen hatte.
„Oder willst du ihn nicht mehr zurück?“ hatte er ihn gefragt. Hugo hatte sich nur überrascht umgewandt und ihn skeptisch angeblickt. Es hatte zudem etwas sehr Forschendes in dem Blick gelegen. Dann hatte er sich geräuspert und die Augen gesenkt.
„Natürlich wäre ich gerne wieder mit ihm zusammen. Aber nicht unbedingt mit jeder Version von ihm. In gewissem Maß kann ich damit Leben, wenn er Zeit für sich braucht und nicht reden will, aber es ist wirklich ein blödes Gefühl, wenn… naja, wenn er mich immer wieder von sich stößt. Wenn er daran etwas ändern würde, wäre ich definitiv bereit es nochmal zu versuchen. Aber ich fürchte dazu müsste er sich helfen lassen und ich denke nicht, dass das passieren wird.“
Branko und sich helfen lassen? Da hatte Hugo vermutlich recht, dass dies nicht passieren würde. Es war beinahe schon lächerlich wie sehr Branko fremde Hilfe verabscheute.
Wollte er überhaupt, dass die beiden wieder zusammenkamen? Im Grunde nicht, aber was sollte die Alternative sein? Er selbst und Branko? Hugo war viel zu misstrauisch. Es war doch niemals so offensichtlich, dass Leo etwas von ihm wollte.
Und was war das eben in der Umkleide gewesen? Er hatte Hugos Hintern angestarrt und seinen Rücken, seinen Bauch und sogar kurz einen Blick zwischen seine Beine riskiert. Es hatte sich dabei etwas in ihm geregt. Zum Glück nicht so viel, dass es von außen sichtbar gewesen wäre, aber die Tatsache verunsicherte Leo zutiefst.
Er lehnte den Kopf gegen die Fensterscheibe des Busses und seine Gedanken schweiften zu Sophie, so als müsse er sich daran erinnern, dass er eigentlich auf Frauen stand und das tat er ja auch. Auch wenn er ihren Charakter vielleicht nicht so sehr gemocht hatte, so hatte er wenigstens ihren Körper geliebt.
„Das ist bloß eine Phase,“ dachte er sich und kam sich dabei ziemlich dumm vor. Wenn er sich so etwas schon einreden musste, lief irgendetwas wirklich schief.